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Der "Prestige" Tankerunfall - oder welch' eine Überraschung! |
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, Abteilung Meeresbiologie, Universität Wien
Der
Tanker "Prestige" ist am 20. November 2002 vor der Küste Spaniens
gesunken - noch tagelang auf das offene Meer hinausgeschleppt, um
Distanz zur Küste zu schaffen. Auf den Bahamas registriert, unter
Management einer liberianischen Firma mit Sitz in Griechenland,
gechartert von der russischen Zweigstelle eines Konzerns mit Sitz in
der Schweiz: Zielhafen Singapur, oder doch Gibraltar? Wer nun glaubt,
dass es sich hierbei um einen besonders interessanten, einmaligen Fall
handelt, den es in allen Einzelheiten zu verfolgen gilt, ist - wie es
Humphrey Bogart in Casablanca so süffisant formulierte -
missinformiert. Denn nur die Akteure wechseln. In den wesentlichen
Punkten folgt der Ablauf der Katastrophe immer dem altbewährten Schema:
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Der sinkende Tanker "Prestige" wird aufs offene Meer geschleppt
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Die "Prestige" sinkt - in zwei Teile geborsten
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1. Hoffnungslos veraltet
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Der Tanker ist alt, in diesem Fall 26 Jahre, ein Alter, in dem so gut
wie kein Flugzeug und nur wenige Autos noch zugelassen werden. Der
Rumpf einwandig statt mit Doppelwandung ausgestattet, hoffnungslos
antiquiert. Natürlich hat das Boot die letzte Inspektion mit fliegenden
Fahnen geschafft.
Der Tanker lief unter Billigflagge. Liberia, Panama und wie sie heissen
mögen. Hier kann an Steuern, Sicherheitsstandards und Mannschaftsniveau
kräftig gespart werden.
Eine Bergung ist wetterbedingt nicht möglich. Wer hätte das gedacht -
solch hohe Wellen im Atlantik/Pazifik/Indischer Ozean (zutreffendes
ankreuzen)!
Das Unglück trifft die Region vollkommen unvorbereitet. Nur einige
Kilometer Ölbarrieren stehen zur Verfügung und so gut wie keine
weiteren geeigneten Geräte, ungenügend geschultes Personal, nahezu
krimineller Mangel an Koordination.
Widersprüchlichste
Meldungen der Behörden werden veröffentlicht: das Leck wurde beseitigt.
Falls es doch lecken sollte, würde das Öl ohnehin im kalten Wasser
stocken, oder aber im warmen Wasser verdunsten. Alle Hoffnungen werden
auf günstige Winde und Strömungen gesetzt. Leider - Pech gehabt.
Das Öl erreicht die Küste. Ein Wirrwarr an Prognosen wird erstellt, die
Mengen je nach Quelle in Barrels, Tonnen oder Liter angegeben.
Das Gebiet hat sich noch nicht von dem letzten
Giftunfall/Fischereikollaps/der letzten Ölkatastrophe (bitte
zutreffendes ankreuzen) erholt.
Der
Kapitän wird verhaftet. Einen Bösewicht muss es ja geben. Der Kapitän
wird wieder entlassen. Im Fall der "Prestige" im Februar 2003 gegen
eine Kaution von 3 Millionen EURO - bezahlt vom Versicherer. Liegt die
Schuld vielleicht doch woanders?
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Der Kapitän des Unglücks-Tankers "Prestige" wird in La Coruna von zwei spanischen Polizisten abgeführt
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9. Man muss doch was tun
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Da professionelle Putzmannschaften fehlen, werden freiwillige
Hilfskräfte mobilisiert. Studenten reisen an, das Militär wird
abkommandiert. Sie werden z.T. demotiviert und schikaniert.
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Soldaten beim aussichtslosen Kampf gegen das Öl
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10. Hoffnungsloser Einsatz
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Die Putzaktionen laufen unter Einsatz primitivster Mittel ab: in unser
high-tech Welt muss händisch mit Schaufeln, Gummihandschuhen und Kübeln
gearbeitet werden. Schutzanzüge oder Atemschutzgeräte bekommen nur die
wenigsten.
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Fassungslos und Hilflos
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11. Vögel für die Medien
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Reiche Fischereigründe sind gefährdet und/oder Naturschutzgebiete in
höchster Gefahr. Die obligaten Vogelputzstationen werden errichtet, die
erfahrenen Veterinärmediziner müssen zugeben, dass das Ganze eine
medienwirksame Kosmetik bleibt, der überwiegende Teil der Tiere muss
sterben.
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Ein Ölverklebter Meeresvogel - dem Tode geweiht.
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Vogelputzstationen sind medienwirksam - die Tiere sterben dennoch meist an Vergiftungen und Verätzungen im Verdauungstrakt
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Das Ereignis nimmt langsam eine politische Dimension an. Im Parlament
werden, nach Tagen der Beschwichtigung Reden, Minister und sogar
Staatsoberhäupter in die Defensive gedrängt. Politiker kommen verspätet
und nur unter schwerem Polizeischutz zum Ort des Geschehens. Ernste
Mienen werden medienwirksam aufgesetzt. Händeringend wird festgestellt:
Neue Gesetze müssen her. Bereits bestehende Gesetze schneller
implementiert. Hilfe wird versprochen.
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13. Hoffnungsloser Einsatz Teil 2
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Die Hilfe kommt nicht. Verzweifelte Fischer versuchen in Eigenregie
Abhilfe zu schaffen, basteln Ölsperren aus Netzen und Tonnen.
Technische Hilfe aus dem Ausland wird umständlich angefordert und kommt
verspätet an.
Einige Küstenstrecken werden gesperrt. Zuerst 100 km am Unfallort, dann
500 km, letztlich verteilt über 1000e von Kilometern und
grenzüberschreitend. Der Handel mit Meeresprodukten aus betroffenen
Gebieten wird eingestellt. Der Kauf von Meeresprodukten geht auch in
ungefährdeten Gebieten und in Städten weit im Landesinneren zurück.
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Eine
herrliche Küstenlandschaft im Nord-Westen Spaniens, wie hier in der
Gegend von Galineiro, wird von den Massen von Öl verschandelt.
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Zuhause, weit vom Meer entfernt, wollen die örtliche Medien immer nur
die eine einfältige Frage möglichst knapp beantwortet haben: "Wie lang
wird das nun dauern?" Möglichst nur eine verallgemeinernde Zeitangabe.
Wer hat schon, in Zeiten wie diesen, Ohren für differenziertere
Auskünfte, z.B. über den Grad der Verwundbarkeit der verschiedenen
Küstentypen. Die Häufigkeit der Pressemeldungen nimmt rapide ab, die
Berichte rutschen von der Titelseite immer weiter nach hinten und
werden immer kürzer.
Die Suche nach den Schuldigen geht verschlungene Wege. Es wird Klagen
und Gegenklagen geben. Nationen, Behörden, Fischereiverbände,
Naturschutzorganisationen, Firmen, Einzelpersonen werden die Akteure
sein. Erfahrungsgemäss wird in 20-30 Jahren ausjudiziert. Bis alle
Entschädigungen ausbezahlt sind, kann es ebenso lange dauern.
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17. Einige Monate später, irgendwo anders: BIG SURPRISE!
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Hintergrundinformationen
über die Ölkatastrophe an der spanischen Küste sind (auf englisch) über
eine website des World Wildlife Fund abrufbar!
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